Dienstag, 23. Juli 2013

Sozialräume: Bremen


Sozialkohärente Stadtpolitik nach Zahlen


Vom Benachteiligungsindex zur mehrdimensionalen Quartierstypisierung: 

die Bremer Sozialräume



Der Sozialinterventionsstatus

Um die Probleme der segregierten Armut oder der räumlichen Ausgrenzung von Hartz IV-Beziehern, Arbeitslosen oder auch generell Ausländern zu erfassen, wurde in Bremen ein sogenannter Benachteiligungsindex entwickelt und bereits über einen längeren Zeitraum berechnet. 

Dieser Index hat jedoch einige Nachteile, weswegen ihn andere Städte, die in einem Sozialmonitoring ähnliche Aufgaben zu lösen hatten, nicht als Vorbild übernommen haben. Defizite sind vor allem darin zu sehen, dass sich mit dieser komplexen statistischen Zahl keine Segregation messen lässt, vor allem jedoch nicht definieren lässt, was tatsächlich gemessen wird.

Es gibt daher gute Gründe dafür, wenn man anstelle des Benachteiligungsindexes ausgewählte Einzelindikatoren oder eine erhebliche einfachere Aggregation aus diesen wenigen statistischen Merkmalen verwendet. 
Insgesamt werden durch diese Einwände allerdings die Ergebnisse nicht völlig auf den Kopf gestellt, da es starke sozialräumliche Zusammenhänge zwischen den Indikatoren gibt, also tatsächlich von einer räumlichen Ausgrenzung dieser Einwohnergruppen gesprochen werden kann.

Das zeigen die hohen ökologischen Korrelationen, die in Bremen bestehen, wobei es im Zeitablauf kaum zu größeren Änderungen gekommen ist.


Ökologische Korrelationen zwischen wichtigen Sozialindikatoren
 


Merkmale (jeweils Anteilswerte)
Hartz IV - Arbeitslose
0,93
0,94
Hartz IV – Migranten/ Ausländer (1)
0,89
0,77
Arbeitslose -  Migranten/ Ausländer (1)
0,79
0,85

1) Für 2010 wurde der Anteil der Einwohner mit Migrationshintergrund ausgewiesen, für 2011
der Ausländeranteil.




Die Dimensionen und Indikatoren der Sozialraumanalyse


Auch wenn die sozialräumlichen Faktoren nicht unabhängig sind, lassen sie sich nicht auf eine einzige Dimension wie etwa die Benachteiligung reduzieren. Das zeigt eine Einordnung der Bremer Ortsteile nach den vier Faktoren sozialer, familialer, Ausländer- und Sozialinterventionsstatus.

In der Tabelle im Anhang wurde dabei jeweils ein Indikator für jeden der vier Faktoren gewählt, wobei hier dem aktuellen Erhebungskanon der Amtlichen Statistik Rechnung getragen werden musste. Dabei wurde vor allem auf zeitnah erhobene Merkmale und Anteilswerte als Indikatoren geachtet, um Veränderungen rasch erfassen zu können. Das gilt vor allem für Segregationstendenzen. 
So repräsentiert der Anteil der SchülerInnen an Gymnasien in den Klassenstufen 7 – 10 den sozialen Status, der Anteil der unter 18-jährigen den familalen Status, der Ausländeranteil den Ausländerstatus und der Anteil der Hilfebedürftigen (Grundsicherung für Arbeitssuchende, SGB II) an der Bevölkerung unter 65 Jahre den Transferstatus.


Die Segregation nach sozialräumlichen Merkmalen


Da sich Segregationsindizes vor allem für Anteilswerte von Bevölkerungsgruppen berechnen lassen, sind hiefür Indikatoren erforderlich, die entsprechend definiert sind. Wie die Werte in der Tabelle zeigen, ist die Bevölkerung nach demografischen Merkmalen wie dem Alter relativ gleichmäßig über das Stadtgebiet verteilt. Das gilt hingegen nicht für die regionale Herkunft und vor allem die Abhängigkeit von Transferzahlungen. Hier ist eine größere Segregation erkennbar, wobei sich ein deutlicher Unterschied zwischen den Einwohnern mit Migrationshintergrund und den Ausländern zeigt.




Segregationsindizes sozialräumlicher Merkmale in Bremen 2011


Merkmal
Indexwert
Anteil der unter 18-jährigen
9,2
Anteil der über 65-jährigen
9,8
Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund
16,4
Anteil der Ausländer
20,1
Anteil der SGB II-Bezieher
23,6




Die Entwicklung der Armutssegregation in Bremen



Etwas mehr Objektivität in die Diskussion einer wachsenden sozialen Kluft in Deutschland, die sich nicht zuletzt in einer räumlichen Segregation niederschlägt, kann ein Vergleich der Segregationsindizes für die Sozialhilfe-Empfänger im Jahre 2004 und die Hartz IV-Bezieher im Jahr 2011 bringen. Damals betrug der Segegationsindex 24,6, während er 2011 für die Hartz IV-Empfänger bei 23,6 lag.

Diese relativ stabile Segregationsstruktur zeigt sich auch aus einer anderen Perspektive. Wenn man die klassischen Bremer WiN-Gebiete betrachtet, ist aufgrund der Agenda-Politik, durch die Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammengelegt wurde, der Anteil der Hartz IV-Empfänger teilweise doppelt so hoch wie der Anteil der Sozialhilfeempfänger sieben Jahre zuvor. Dennoch hat sich das Verteilungsmuster nicht grundlegend geändert. Allerdings kann man feststellen, dass jetzt ehemalige typische Arbeiterquartiere wie Gröpelingen und Lindenhof einen höheren Rang in der Reihe der Gebiete mit hohen Anteilen von Transferleistungsempfängern einnehmen. Umgekehrt findet man ehemalige Großsiedlungen wie Grohn und Lüssum-Bockhorn inzwischen nicht mehr auf den vorderen Plätzen.



Anteil der Empfänger von Transferzahlungen in WiN-Gebieten

WiN-Gebiet
Sozialhilfe
Rang
Hartz IV
Rang
Tenever
23,3
1
37,6
2
Gröpelingen
18,1
2
38,6
1
Ohlenhof
16,3
3
34,9
3
Kattenturm
15,5
4
27,7
8
Neue Vahr Nord
15,4
5
32,7
4
Grohn
15,3
6
23,4
15
Blockdiek
14,7
7
27,4
9
Lindenhof
13,8
8
28,7
5
Lüssum-Bockhorn
13,5
9
24,6
13
Neue Vahr Südost
13,0
10
28,2
6



Kriterien einer Typisierung mit Augenmaß


In der Übersichtstabelle für 82 Bremer Ortsteile wurden die Daten der Amtlichen Statistik auf der Basis der Sozialraumanalyse so aufbereitet, dass sie eine Kurzinformation über die Quartiere geben, die mit einem Minimum an Einzeldaten auskommt, ohne dabei auf wichtige Tatbestände zu verzichten.

So wurde für jeden Ortsteil eine Einordnung auf den vier sozialräumlichen Dimensionen vorgenommen, wobei nur grob zwischen n (niedrige), m (mittleren (m) und h (hohen) Werten unterschieden ist. Wegen der üblichen Kumulierung der Daten um den Mittelwert sind dabei nur relativ extreme Werte, d.h. Daten, die über 50 % vom Mittelwert abweichen, mit n bzw. h gekennzeichnet.

Falls diese grobe Kategorisierung nicht ausreicht, findet man in einem zweiten Spaltenbereich der Tabelle die jeweiligen Rangplätze der Ortsteile für die vier Verteilungsfaktoren.

Schließlich wurde noch aus entsprechenden Rangplätzen für den Ausländer- und Transferstatus sowie den Anteil der Arbeitslosen ein Sozialintenventionsindex berechnet, für den ebenfalls Rangplätze ausgewiesen sind. Diese Messgröße soll für die relativ hoch korrelierten Problemindikatoren stehen, die in fast allen Städten als zentral für soziale Belastungen in Quartieren angenommen werden und daher die Notwendigkeit möglicher Interventionen anzeigen.



Typische Verteilungsmuster in Bremen



Bei der groben Typisierung, nach der theoretisch 3 X 3 X 3 x3 also 81 Typen möglich sind, ist wegen der hohen Interkorrelationen nur ein Teil besetzt. Der Grund ist die relativ ähnliche räumliche Verteilung nach dem sozialen Status, dem Ausländerstatus und dem Sozialinterventionsstatus. So leben beispielsweise in keinem Quartier mit hohem sozialen Status überdurchschnittlich viele Ausländer oder Empfänger von Hartz IV.



Sozialer Status und Sozialinterventionsstatus

Relativ häufig ist hingegen die Kombination von niedrigem sozialem Status und hohem Ausländer- und Sozialinterventionsstatus. Beispiele sind hier die WiN-Gebiete Grohn, Gröpelingen, Lindenhof, Ohlenhof und Tenever.

Komplementär hierzu ist die Kombination von einem hohen sozialen Status sowie niedrigem Ausländer- und Sozialinterventionsstatus. Blockland, Borgfeld, Bürgerpark, Gete, Grolland, Horn, Neu-Schwachhausen, Schwachhausen und St. Magnus gehören in Bremen zu diesem Typ.


Niedriger familaler Status und hoher Ausländerstatus


Daneben gibt es jedoch auch Typen, die sich ganz und gar nicht in dieses eindimensionale Schema pressen lassen.

So findet man in der Altstadt und in der Bahnhofsvorstadt Kombinationen aus niedrigem familialen und hohem Ausländerstatus, der jedoch hier nicht mit einem hohen Anteil von Hart IV-Beziehern verbunden ist.


Hoher familaler Status


Nach dem familalen Status unterscheiden sich die Bremer Quartiere nur relativ wenig, wie die geringe Zahl von Gebieten belegt, die hier deutlich vom Durchschnitt nach oben oder unten abweichen.

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass es in Bremen nur zwei Ortsteile mit einem hohen familialen Status gibt, und zwar das WiN-Gebiet Tenever und das statushohe Borgfeld, während ein niedriger familaler Status für die Innenstadt typisch ist.



Niedriger Ausländerstatus



Vor allem am Bremer Stadtrand findet man eine Reihe von Ortsteilen, in denen nur eine geringe Zuwanderung von Ausländern erfolgte. Dabei handelt es sich um Quartiere, die sich praktisch nur in diesem Merkmal deutlich vom Durchschnitt abheben. Hierzu zählen Farge, Lesum, Rekum und Rönnebeck




Die stadtpolitische Verwendung der sozialräumlichen Indikatoren


Entsprechend diesen Hinweisen lassen sich die ausgewählten sozialräumlichen Indikatoren und der grobe Interventionsindex für die Beantwortung stadtpolitischer Fragestellungen einsetzen.



Die Kurzinformation


Abweichungen vom Durchschnitt verdienen besonderes Augenmerk, da sie relativ leicht die Spezifika eines Quartier herausstellen. Diesem Prinzip folgt das hier gewählte grobe Beschreibungsschema, das sich auf das Wesentliche im Modell der Sozialraumanalyse beschränkt.



Die Ausweisung von sozialen und städtebaulichen Problemgebieten



Der Ausländer- und Transferstatus sowie als Ergänzung die Aggregation zum Sozialinterventionsindex können soziale und städtebauliche Belastungen ausweisen.

Der zentrale Unterschied und Vorteil gegenüber dem Bremer Benachteilungsindex bzw. dem Index für Vermutungsgebiete sozialer Problemlagen ist dabei die Tatsache, dass diese Merkmale eindeutig definiert sind und sich auf Teilräume beziehen, die entsprechend dem WiN-Konzept eine Größe besitzen, wie sie ein adäquater Maßnahmeneinsatz etwa durch ein Quartiersmanagement erfordert.Wenn man die einzelnen Werte betrachtet, lassen sich neben deutlichen Entsprechungen etwa für Gröpelingen und Tenever auch Unterschiede wischen beiden Methoden erkennen. So erscheinen einige WiN-Gebiete nicht mehr als vordringliche Adressaten von sozialen Maßnahmen, während andere anscheinend mit den Rastern der Sozial- und Baubehörde nicht erfasst wurden. Das gilt etwa für Blumenthal und die Bahnhofsvorstadt.




Die Ermittlung von sozial belastbaren Quartieren



Vor allem die Diskussion einer Unterbringung von Flüchtlingen hat neben der viel diskutierten Bestimmung von sozialen Brennpunkten das Interesse auf einen ganz anderen Gebietstyp gelenkt: Quartiere, die sozial wenig belastet sind und von ihrer Sozialstruktur her geeignet sind, Flüchtlingen auch durch den Einsatz von Ehrenamtlichen dabei zu unterstützen, sich in Deutschland zurechtzufinden und den Kindern den Schulbesuch in einem fremden Land zu erleichtern. Innerhalb der Grenzen sozialräumlichen Daten dürften das vor allem Ortsteile sein, die einen niedrigen Wert für den Interventionsindex und einen relativ hohen sozialen Staus besitzen.

Details lassen sich der Tabelle im Anhang entnehmen.



Anhang:

Sozialräumliche Typisierung der Bremer Ortsteile  (2011)

Ortsteil
Soz.
Status
Fam.
Status
Ausl.
Status
Transf.
Status
Rang SS
Rang
FS
Rang
AS
Rang
TS
Rang
Interventions-index
Alte Neustadt
m
n
m
m
12
2
24
44
34
Altstadt
m
n
h
m
61
1
4
28
24
Arbergen
m
m
n
m
58
59
71
63
66
Arsten
h
m
m
m
68
75
55
27
50
Aumund
m
m
m
m
24
55
38
28
31
Bahnhofsvorstadt
m
n
h
m
30
3
9
22
10
Barkhof
h
m
m
n
80
10
50
78
67
Blockdiek
m
m
m
h
11
57
14
9
13
Blockland
h
m
n
n
66
66
70
73
77
Blumenthal
m
m
m
h
16
78
13
11
7
Borgfeld
h
h
n
n
81
81
79
82
82
Bürgerpark
h
m
n
n
82
21
59
81
74
Buntentor
m
m
m
m
50
13
40
37
43
Burgdamm
m
m
m
h
17
58
39
18
29
Burg-Gramke
m
m
m
m
15
51
48
31
38
Ellener Feld
m
m
n
m
14
17
57
28
49
Ellenerbrok-Schevemoor
n
m
m
m
6
56
35
29
33
Fähr-Lobbendorf
m
m
m
m
43
33
46
23
30
Farge
m
m
n
m
27
40
76
33
60
Fesenfeld
m
m
m
m
48
8
49
64
63
Findorff-Bürgerweide
m
m
m
m
46
11
44
42
40
Gartenstadt Süd
m
m
m
m
32
28
32
51
45
Gartenstadt Vahr
m
m
m
m
65
18
47
41
48
Gete
h
m
n
n
79
26
58
76
72
Grohn
n
m
h
h
7
68
1
15
5
Grolland
h
m
n
n
71
35
81
70
76
Gröpelingen
n
m
h
h
1
77
5
1
2
Habenhausen
m
m
n
n
64
36
77
77
79
Hastedt
m
m
m
m
44
29
29
43
39
Hemelingen
m
m
h
h
33
73
6
17
14
Hohentor
m
m
m
m
40
5
16
48
32
Hohweg
m
m
n
m
9
4
62
38
54
Horn
h
m
n
n
76
44
73
72
75
Huckelriede
m
m
h
m
34
53
10
30
22
Hulsberg
m
m
m
m
45
22
33
46
40
In den Hufen
m
m
n
m
53
6
78
25
55
Kattenesch
m
m
n
m
69
49
66
24
56
Kattenturm
m
m
h
h
57
72
11
8
6
Kirchhuchting
m
m
m
h
35
76
19
10
11
Lehe
h
m
m
n
72
7
30
69
61
Lehesterdeich
m
m
n
m
67
41
56
62
64
Lesum
m
m
n
m
59
34
72
36
57
Lindenhof
n
m
h
h
5
71
3
5
3
Lüssum-Bockhorn
m
m
m
h
25
67
43
13
23
Mahndorf
m
m
m
m
55
65
52
39
51
Mittelshuchting
m
m
m
h
37
79
18
11
14
Neue Vahr Nord
m
m
m
h
31
74
15
4
8
Neue Vahr Südost
m
m
m
h
20
52
17
6
9
Neue Vahr Südwest
m
m
m
m
19
20
31
14
25
Neuenland
m
m
h
m
36
16
7
50
26
Neu-Schwachhausen
h
m
n
n
73
14
60
71
70
Neustadt
m
m
m
m
29
24
45
30
43
Oberneuland
h
m
n
n
75
63
69
79
78
Ohlenhof
n
m
h
h
2
80
2
3
1
Oslebshausen
n
m
m
m
4
69
23
19
17
Osterfeuerberg
m
m
m
m
8
45
26
26
21
Osterholz
m
m
m
n
39
62
65
67
67
Ostertor
m
m
m
m
54
9
37
32
35
Peterswerder
m
m
m
m
52
31
53
23
47
Rablinghausen
m
m
m
m
41
43
54
34
51
Radio Bremen
h
m
m
n
78
32
51
65
65
Regensburger Straße
m
m
m
m
42
38
42
45
46
Rekum
m
m
n
m
21
61
75
22
58
Riensberg
h
m
n
n
74
23
67
68
73
Rönnebeck
m
m
n
m
28
50
68
47
61
Schönebeck
m
m
n
m
63
60
64
35
58
Schwachhausen
h
m
n
n
77
39
61
74
70
Sebaldsbrück
m
m
m
m
51
42
28
49
42
Seehausen
m
m
n
n
60
70
80
80
80
Sodenmatt
m
m
m
 h
56
64
27
7
12
St. Magnus
h
m
n
n
70
30
74
66
69
Steffensweg
m
m
m
m
23
25
22
21
16
Steintor
m
m
m
m
26
12
41
31
36
Strom
m
m
n
n
62
47
82
75
81
Südervorstadt
m
m
m
m
18
15
25
40
36
Tenever
n
h
h
h
3
82
8
2
4
Utbremen
m
m
m
 h
38
48
20
16
20
Vegesack
m
m
m
m
47
37
36
25
28
Walle
m
m
m
m
13
54
21
24
19
Weidedamm
m
m
m
m
49
19
63
26
53
Westend
m
m
m
m
10
27
12
27
17
Woltmarshausen
m
m
m
m
22
46
34
20
27

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