Donnerstag, 5. Dezember 2013

WiN-Gebiet Blumenthal-Zentrum


Eine gute Bremische Lösung für einen sozialen Brennpunkt?


Kein Win-Gebiet Blumenthal, kein spezielles Programm für den sozialen Brennpunkt George-Albrecht-Straße, sondern eine Ausweisung als flankierendes WiN-Gebiet für das alte Blumenthaler Zentrum und umzu





Nachdem Ende 2012 die Situation an der Blumenthaler George-Albrecht-Straße eskalierte und die Medien dort Bremens schlimmste Horror-Siedlung sahen, wurde durch einen Dringlichkeitsantrag der Regierungsparteien im Umfeld des Blumenthaler Marktplatzes und der George-Albrecht-Straße Ende 2013 ein flankierendes WiN-Gebiet geschaffen. 
Ergänzend zu dem zunächst vorrangig fokussierten sozialen Brennpunkt wurden damit auch Wohngebiete einbezogen, die unmittelbar an die bisherige Industriebrache der ehemaligen Bremer Woll-Kämmerei angrenzen.

Bisher liegen über viele Einzelheiten dieser städtebaulichen Fördermaßnahme kaum Informationen vor, da es weder eine entsprechende Darstellung auf dem Portal der Bremer WiN-Gebiete gibt noch ein Handlungskonzept vorliegt.

Der harte Informationskern über dieses sozial benachteiligte Gebiet muss sich daher bisher auf die Daten beschränken, die vom Stat. Landesamt für die einbezogenen Baublöcke beziehen.


Dabei zeigen sich deutliche Veränderungen in den letzten Jahren. So hat sich in den Baublöcken, die an die George-Albrecht-Straße angrenzen, der Anteil der Bewohner mit einem Migrationshintergrund deutlich erhöht. Dadurch ist allerdings der Anteil der Hartz-IV-Empfänger nur in zwei von fünf Quartieren auf ein Niveau gestiegen, das über dem Bremer Durchschnitt liegt. In günstig gelegene Wohnungen mit guter Ausstattung sind hingegen Migranten nachgerückt, die relativ gut in den Arbeitsmarkt integriert sind.

Während sich hier also eine starke Abwanderung der deutschen Bevölkerung feststellen lässt, ist es an dem zweiten sozialen Brennpunkt des neuen WiN-Gebiets, dem Bereich der Lüder-Clüver-Straße, zu einer abweichenden Entwicklung gekommen, da sich hier in zwei Quartieren an der Kaffeestraße deutsche Arbeitslose- und Hartz-IV-Empfänger konzentrieren, während in den drei anderen Quartieren der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund, der nicht von einer eigenen Beschäftigung lebt, deutlich erhöht hat. Es liegt also eine segregierte Konzentration von sozial benachteiligten Haushalten vor. Das gilt in teilweise dramatischer Weise für die Quartiere in unmittelbarer Nachbarschaft zum BWK-Gelände.

Da in diesen Fällen aufgrund des zur Verfügung stehenden Einkommens keine Präferenzen für den Wohnsitz ausschlaggebend sein können, belegt die Zunahme an Arbeitslosen und Hartz-IV-Beziehern, dass sich diese Standorte praktisch nur noch an Haushalte vermieten lassen, die zum Um- und Einzug in preiswerten Wohnraum gezwungen sind.



Veränderungsprozesse in der Nachbarschaft baulicher und sozialer Brennpunkte: Indikatorenwerte 2012 (Anteilswerte in %) und ihre Entwicklung zwischen 2009-12 (Prozentpunkte)

Areal
Hartz IV-Anteil 2012
Veränderung 2009-2012
Arbeitslosen-quote 2012
Veränderung 2009-2012
Migrations-hintergrund 2012
Veränderung 2009-2012
Nachbarschaft George-Albrecht-Straße (1) 22,0 -0,7 22,9 -1,4 49,8 9,8
Nachbarschaft BWK-Gelände (2) 34,8 2,4 31,8 4,3 38,4 3,9
Untersuchungsgebiet (3) 28,6 0,4 27,4 2,3 46,4 6,5
Stadt Bremen 12,8 -0,4 13,7 -1,6 29,5
1,7

  
1) Baublöcke 531013 und 531094
2) Baublöcke 531001, 531008, 531009 und 531010
3) Baublöcke 531001- 531013 und 531094



Das neue WiN-Gebiet weist damit keine einheitliche Problemlage auf, sondern Segregationstendenzen zwischen den transnationalen Ethnien an der George-Albrecht-Straße, Einwohnern mit einem anderen, zumeist türkischen Migrationshintergrund und Deutschen. Gleichzeitig findet man Quartiere, deren Einwohner unterschiedlich gut bzw. schlecht in den Arbeitsmarkt integriert sind. So lagen 2012 die Anteile der Hartz-IV-Empfänger zwischen 10,0 % und 50,0 %.

Damit dürfte eine Quartiersarbeit, die auf die spezifischen Problemsituationen eingehen will und einen größeren Zusammenhalt im Gesamtgebiet anstrebt, vor großen Herausforderungen stehen.




                                    Beginn der George-Albrecht-Straße im Süden




Der Zickzackweg vom Mini-WiN-Gebiet zum flankierenden WiN-Gebiet


Wenn man die üblichen statistischen Kennziffern wie den Anteil der Hartz-IV-Empfänger, der Arbeitslosen und der Ausländer heranzieht, würde der Ortsteil Blumenthal im Mittelfeld der WiN-Gebiete liegen, für die auf der Ebene von Ortsteilen Quartiersmanager arbeiten, WiN-Foren tagen und WiN-Projekte beschlossen und ausgeführt werden. Blumenthal könnte also zu Recht Teil des Bremer WiN-Programms sein, auf das viele Bremer Politiker stolz sind, und für das bereits ein breiter Erfahrungsschatz vorliegt.

Aber dieses Programm haben die senatorischen Behörden offenbar für Blumenthal nicht gewollt, da es nicht einmal in Erwägung gezogen wurde, obwohl ein Blumenthaler Areal um das Hochhaus an der Bürgermeister-Kürten-Str. bereits entsprechend gefördert wird, allerdings als Teil des WiN-Gebietes Lüssum-Bockhorn.

Möglicherweise wollte man nicht in einem Stadtteil, der sich vor seiner Eingemeindung nach Bremen 1939 als Kreisstadt eines Kreises positiv entwickelt hat und später vom Kreis Osterholz beim Zusammenschluss als guter Steuerzahler freudig begrüßt wurde, jetzt zusätzlich zu Lüssum insgesamt 70% des Areals als sozial benachteiligtes Gebiet ausweisen.

Auch ein anderer Zugang zu den Problemen dieses sozialen Brennpunktes stieß offenbar bei den beteiligten senatorischen Stellen auf kein Interesse. Nach den wenigen vorliegenden Zahlen und den Einschätzungen einiger Praktiker ist für das Gebiet der George-Albrecht-Straße eine Massierung von zwei transnationalen Ethnien typisch, und zwar der Mhallami und der Roma, die hier vor allem als Spätfolgen des Libanon- und des Kosovo-Krieges Wohnungen erhalten haben. Diese Herkunft und die bisherigen Integrationsschwierigkeiten nach einem Aufenthalt von mindesten zehn Jahren in Deutschland würde fast zwangsläufig eine nähere Beschäftigung mit deren Kulturen verlangen, könnte aber auch externe Finanzierungen von Integrationsprogrammen erlauben, die gezielt auf die Integration etwa der Roma ausgerichtet sind. Diese Sicht wird jedoch von der Bremer Sozialbehörde nicht geteilt, die an der George-Albrecht-Straße erklärtermaßen nur ein soziales Problem sehen will.

Da keine dieser relativ schlüssigen Zuordnungen offenbar politisch gewollt war, haben sich die Bremer Sozialpolitiker und die senatorischen Behörden auf einen schwierigen Weg gemacht, um eine in Bremen korrekte und konforme Lösung für den sozialen Brennpunkt im Bereich der George-Albrecht-Straße zu finden. Das war offensichtlich nötig, nachdem es nicht mehr ausreichte, die Probleme im Sozialmonitoring festzustellen, aber mit einem Verweis auf fehlende statistische Voraussetzungen anschließend nichts zu unternehmen.

Auslöser des Umdenkens waren Ende 2012 Medienberichte, als Deutschlands Massenblatt am 31. Oktober seine Leser mit einem Bericht über „Die George-Albrecht-Straße mit Bremens schlimmster Horror-Siedlung“ aufgeschreckt hatte, nachdem in diesem Blumenthaler Quartier zuvor 20 Streifenwagenbesatzungen eine Massenschlägerei beenden mussten und von „Raubüberfällen, Bedrohungen, Diebstählen, Drogenhandel und Gewalt“ berichtet wurde. So war eine 89-jährige Rentnerin von einem jugendlichen Intensivtäter fast tot geprügelt worden.

Als Antwort hatte man in Blumenthal nicht nur statt Zuckerbrot die Peitsche „vor allem gegen einige Großfamilien, meist Roma", gefordert, "die sich fast alles vom Staat bezahlen lassen, aber die Straße als rechtsfreien Raum betrachten“ gefordert, sondern von den Fraktionen der Bremer Regierungsparteien war am 6.12. ein Dringlichkeitsantrag „Vernetzte Quartiersentwicklung im Umfeld der George-Albrecht-Straße!“ in die Bürgerschaft eingebracht worden. Dieser Antrag wurde gleich am 11.12. einstimmig von der Bremischen Bürgerschaft beschlossen, und am 18.12. hat der Senat die Verwaltung mit der Umsetzung des Beschlusses beauftragt.

Die Politiker haben, nachdem die Medien die Situation aufgegriffen hatten, also sehr schnell entschieden, während sie die zuvor seit Jahren berichteten Warnhinweise anscheinend übersehen hatten.
In diesem rotgrünen Antrag wird eine senatorische Arbeitsgruppe gefordert, die u.a. eine Strategie berücksichtigen soll, „wie das Quartier im Umfeld der George-Albrecht-Straße in die WiN-Förderung integriert werden kann“ bzw. „gegebenenfalls eine ähnliche Förderung .. konzipieren“ soll.

Das war der Stand vor der Sommerpause 2013, der sich auch zunächst nicht wesentlich zu ändern schien; denn nach dem Sozialmonitoring 2013, dessen Bericht vom September 2013 datiert, bestanden in Blumenthal drei Vermutungsbereiche, in denen die zu einem Gesamtindex zusammengefassten Indikatoren besonders hohe negative Werte besaßen. Dabei handelt es sich, wenn man die Gebiete nach den Daten des Stat. Landesamtes identifiziert, um den Baublock 531011 an der George-Albrecht-Straße, den Baublock 531007 an der Lüder-Clüver-Straße und den Baublock 531129 zwischen der Hakenwehrstraße und der Wierenstraße.

  
In allen drei Fällen besteht nach dieser Analyse nur eine Priorität von 3 bzw. 4, da die Einwohnerzahlen der Blöcke unter dem Schwellenwert von 550 Einwohnern liegen (vgl. Tabelle).


Blumenthaler Vermutungsgebiete nach dem Sozialmonitoring 2013

Gebiet
Einwohner
Gesamtindex
Priorität
George-Albrecht-Str.
445
241,46
               3
Lüder-Clüver-Str.
125
224,52
4
Blumenthal (neu)
302 209,28 4
Quelle: Sozialmonitoring 2013, S. 10

Daher sind für die Autoren des Berichtes in der George-Albrecht Straße und der Lüder-Clüver-Straße zwar „weiterhin statistische Auffälligkeiten erkennbar“, wobei sich allerdings „beide Baublockbereiche im Index verbessert“ haben. Die entsprechenden Werte sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt.



In den Monitoring-Berichten 2008 bzw. 2010 als Beobachtungs- bzw. Vermutungsgebiete erwähnte Blumenthaler Baublöcke

Gebiet Einwohner 2008 Gesamtindex 2008 Gesamtindex 2010
George-Albrecht-Str. 439 287,4 324,2
Lüder-Clüver-Str. 119 212,6 268,2
Bürgermeister-Kürten-Str. 1.061

223,6
Fresenbergstr./ Bahrsweg 372 216,0

Quellen: Sozialmonitoring 2008 und 2010


Im Bericht über das Sozialmonitoring 2008 hatten die Autoren festgestellt, dass es im Gebiet der George-Albrecht-Straße „zu einer ausgeprägten Konzentration von Bevölkerungsgruppen mit einer spezifischen Problemlage wie Alleinerziehende, SGBII-Empfänger und Migranten (Roma-Familien)“ gekommen war. Daraus hatten sie auf „gewaltsame Konflikte, Vandalismus und Störungen der umliegenden Nachbarschaft“ geschlossen und empfohlen, „von Seiten der Ressorts Inneres und Soziales zu prüfen, welche Missstände im Einzelnen bestehen, um zielgenau intervenieren zu können“. Als Konkretisierung wurde dabei auf ein erfolgreiches Projekt der aufsuchenden Jugendarbeit (Streetworker) verwiesen. Es sollte daher geprüft werden, inwieweit ein derartiges Projekt weitergeführt werden kann“. (Sozialmonitoring 2008, S. 42)

Das war 2008, ohne dass damals von weiteren Maßnahmen etwas bekannt geworden ist. Das hat sich 2013 überraschend geändert, obwohl sich der Indexwert erheblich verbessert hat; denn trotzdem wollen Sozial- und Baubehörde nach einer Vorlage an die Deputationen vom 18.10.2013 jetzt ein erweitertes Areal um die George-Albrecht-Staße, in dem etwa 1.500 Einwohner leben, als WiN-Gebiet ausweisen. Dabei soll es sich jedoch um ein flankierendes WiN-Gebiet handeln, womit seit 2008 auf einer sog. Förderschiene zur Prävention Gebiete gefördert werden, „deren Auffälligkeiten und Dynamik in der Entwicklung als interventionsbedürftig gesehen wurden“. Auf diese Weise will man „eine weitere Negativentwicklung“ verhindern und „diese Gebiete an der Schwelle unterhalb des Programms WiN“ stärken. (Sozialmonitoring 2013, S. 12)

Damit ist das Umfeld der George-Albrecht-Straße zu einem kleinen, zunächst zeitlich begrenzten und finanziell deutlich abgespeckten WiN-Gebiet zweiter Klasse geworden.


Das flankierende WiN-Gebiet Blumenthal-Zentrum


Da bisher noch kein integriertes Handlungskonzept für das neue flankierende WiN-Gebiet in Blumenthal vorliegt, muss sich eine räumliche Abgrenzung auf Zeitungsmitteilungen stützen, die allerdings etwas
abweichende Grenzen nennen. So führt der Weser-Kurier die Baublöcke zwischen der Lüssumer Straße im Osten und der Flethestraße im Westen sowie den Bahngleisen im Norden und der Landrat-Christians-Straße im Süden auf. Der Weser-Report spricht hingegen von der Fresenbergstraße, der Landrat-Christians-Straße, dem Bahnhof und der Mühlenstraße (Weser Report vom 20.10.2013). Offen sind dabei die Nordgrenze, wo man zwischen Bahngleisen und der Fresenbergstraße wählen kann sowie der Westen, der nur im Weser-Kurier mit der Flethestraße eine klare Grenze erhalten hat.

Um das Gebiet trotzdem entsprechend seiner Sozialstruktur beschreiben zu können, wie es die Bremer Statistik auf der Ebene von Baublöcken ermöglicht, sollen hier vorrangig die Baublöcke 531001 bis 531013 betrachtet werden. Da zwei Blöcke, und zwar 531002 und 531003 im Bereich des BWK-Geländes praktisch unbewohnt sind, reduziert sich der Untersuchungsbereich auf elf Baublöcke, die in der folgenden Tabelle vorgestellt werden.

Hinzu kommt bei der Analyse der Auswirkungen des sozialen Brennpunktes an der George-Albrecht-Str. der nördlich der Fresenbergstr. angrenzende Baublock 531094.


Übersicht über die Blumenthaler Baublöcke 531001 bis 531012

Baublock
Straßen
Einwohner 2012
Einwohneranteil
in %
Anteil der Hartz IV-Empfänger
531001
Landrat-Christians-Str./ BWK-Gelände
78
5,3
32,3
531004
Lüssumer Str./ Mühlenstraße
69
4,7
11,8
531005

Eichsfelder Str./ Fresenbergstr.

62
4,2
20,7
531006
Eichsfelder Str./ Lüder-Clüver-Str.
121
8,3
32,7
531007
Lüssumer/ Kaffeestr.
123
8,4
35,2
531008
Leverkenbarg/ Landrat-Christians-Str
67
4,6
24,4
531009
Leverkenbarg/ Kaffeestr.
94
6,4
50,0
531010
Lüder-Clüver-Str./ Landrat-Christians-Str.
92
6,3
32,7
531011
George-Albrecht-Str./ Mühlenstr.
442
30,2
43,7
531012
Kapitän-Dallmann-Str./ Landrat-Christians-Str.
191
13,0
15,7

531013

George-Albrecht-Str./ Flethestr.
125
8,5
10,0


Eine kurze Beschreibung der einzelnen Baublöcke


Anhand der Daten, die das Stat. Landesamt Bremen für Baublöcke zur Verfügung stellt, ist eine sozialstrukturelle Beschreibung der einzelnen Quartiere möglich, die sich durch Zeitreihendaten ergänzen lässt, da einige Merkmale wie der Hartz-IV-Anteil seit 2005, andere wie die Migrationsdaten seit 2002 und Einwohnerzahlen sogar seit 1970 zur Verfügung stehen.


Der Süden in der Nähe des BWK-Geländes


Vereinfacht gesehen, besteht das Untersuchungsgebiet von Süden nach Norden gesehen aus drei Gebietsstreifen, die durch die in West-Ost-Richtung verlaufenden Straßen Weserstrandstr./Landrat-Christians-Str., Kapitän-Dallman-Str./ Lüder-Clüver-Str. und Fresenbergstr. abgegrenzt werden.

Der südliche Streifen schließt dabei teilweise unmittelbar an das ehemalige Betriebsgelände der Bremer Woll-Kämmerei (BWK) und die dort noch existierenden industriellen Nutzungen an, sodass hier Reaktionen auf diese Lage und die vorgesehene weitere Planung für dieses Gelände zu erwarten sind.



Der südliche Bereich an der Landrat-Christians-Str. mit dem BWK-Gelände (531001)


Der Bereich in unmittelbarer Nachbarschaft zur der ehemaligen BWK erlebte im letzten Jahrzehnt einen deutlichen Bevölkerungsrückgang von über 20%, der 2006 einsetzte als hier noch 103 Einwohner lebten gegenüber nur noch 78 Ende 2012.

Seit 2008 liegt bei einigen Schwankungen der Anteil der Hartz IV–Bezieher bei rund einem Drittel aller Haushalte und damit deutlich über dem bereits hohen Blumenthaler Durchschnitt von 21,3 %. Seit der Schließung der BWK erfolgte vor allem eine Zuwanderung von Einwohnern mit türkischem Migrationshintergrund, die hier inzwischen fast 35% der Bevölkerung ausmachen.

Dieses Gebiet hat sich damit zu einem stark türkisch geprägten Migrantenquartier entwickelt, in dem zwar viele Bewohner sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, aber gleichzeitig eine hohe Arbeitslosigkeit besteht und viele Hartz IV-Bezieher leben, sodass es sich um ein stark sozial benachteiligtes Gebiet handelt.


Der Südosten zwischen Leverkenbarg und Landrat-Christians-Str. (531008)


In dem relativ kleinen Quartier auf der gegenüberliegenden Seite der Landrat-Christians-Str., das von Leverkenbarg bis zum Busbahnhof im Osten reicht, haben Zuwanderer mit meist türkischem Migrationshintergrund für einen überdurchschnittlichen Migrantenanteil gesorgt. Im Unterschied zur südlichen Straßenseite handelt es sich dabei jedoch um viele Einpersonenhaushalte, die allerdings ebenfalls zu überdurchschnittlich häufig Arbeitslosengeld oder Hartz IV beziehen.



Der westliche Anschluss zwischen Leverkenbarg und Kaffeestr. (531009)


Der anschließende westliche Baublock bis zur Kaffeestraße weist einen extremen Zuwachs von Hartz IV-Beziehern auf, deren Einwohneranteil von 8,7 % (2005) auf 50 % (2012) gestiegen ist. Gleichzeit ist der relativ geringe Ausländeranteil stabil geblieben. Die wenigen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und die starke Mobilität dürften sich teilweise ähnlich wie die anderen Daten durch Einrichtungen eine Übergangseinrichtung und Betreutes Wohnen für Menschen mit Suchterkrankung der AWO erklären lassen.



Und weiter westlich von der Kaffeestr. bis zur Mühlenstraße (531010)


Allerdings ähnelt auch der sich westlich bis zur Mühlenstraße anschließende Block dem östlichen. Hier war sogar der Anteil der Bewohner mit einem Migrationshintergrund rückläufig, während der Anteil der Arbeitslosen und Hartz IV-Empfängern ebenfalls gestiegen ist. Auch die Wohndauer ist hier relativ gering und hat in den letzten Jahren deutlich abgenommen.


Ganz im Westen zwischen Kapitän-Dallmann-Str.und Landrat-Christians-Str. (531012)


Das westlich der Mühlenstraße liegende Quartier ist offensichtlich von den Problemen des Gesamtuntersuchungsgebietes weniger betroffen, da sich die Einkommensverhältnisse, wie sie sich in der Arbeitslosenquote und dem Anteil der Hartz IV-Empfänger niederschlagen, leicht verbessert haben. Zwar liegt die Arbeitslosigkeit noch über dem Blumenthaler Durchschnitt, dafür ist jedoch der Anteil der Empfänger von Transferleistungen nach dem Sozialgesetzbuch II deutlich unter den Durchschnitt des Stadtteils Blumenthal mit einen sozial weniger belasteten Ortsteilen Farge, Rekum und Rönnebeck gefallen.



Der mittlere Bereich

Zwischen der Kapitän-Dallmann-Straße, deren Weiterführung östlich der Mühlenstraße die Lüder-Clüver-Straße ist, im Süden und der Fresenbergstraße im Norden liegt der mittlere Teil des Untersuchungsgebietes mit dem von der Einwohnerzahl her dominierenden sozialen Brennpunkt um die George-Albrecht-Straße.



Der Baublock Lüssumer und Kaffeestr. (531007)


Beginnt man die Betrachtung des mittleren Gebietsstreifens ebenfalls im Osten, so war der Baublock zwischen Lüssumer und Kaffeestraße von einer starke Zuwanderung von Ausländern im letzten Jahrzehnt geprägt, deren Anteil hier von 12,8% (2002) auf 46,3 % (2012) gestiegen ist, und das bei einem Bevölkerungswachstum von über 30 % im selben Zeitraum. Aktuell haben hier knapp 37 % der Einwohner türkische Wurzeln, womit dieses Quartier im Untersuchungsgebiet den Spitzenwert erreicht.

Dabei handelt es sich in diesem Quartier, wo nicht einmal ein Drittel der Einwohner im erwerbsfähigen Alter einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgeht, zu einem auch für Blumenthal hohen Anteil um Arbeitslose und Hartz IV-Empfänger.



Weiter westlich südlich der Eichsfelder Str. (531006)



Viele Arbeitslose, Hartz IV-Empfänger und Migranten sind auch für das westlich der Kaffeestraße anschließende Quartier südlich der Eichsfelder Straße typisch. In diesem Viertel, das von der Einwohnerzahl her zu den größeren im Untersuchungsgebiet zählt, fällt die Wohndauer auf, die in den letzten Jahren sogar noch angestiegen ist. Die jetzigen Bewohner scheinen also, sofern man ihre begrenzten Wahlmöglichkeiten auf dem Wohnungsmarkt
berücksichtigt, mit ihrer Wohnung in diesem Quartier nicht ganz unzufrieden zu sein.



Und dort nördlich der Eichsfelder Str. (531005)


Das mit 61 Einwohnern nur etwa halb so großen Quartier nördlich der Eichsfelder Str. unterscheidet sich deutlich von dem Gebiet auf der anderen Seite der südlichen Grenzstraße, da hier sehr viele Einwohner über 65 Jahren leben und die Wohndauer entsprechend hoch ist. Gleichwohl hat sich hier der 2002 noch mit 17,6 % recht niedrige Anteil der Einwohner mit Migrationshintergrund auf inzwischen 33,9 % fast verdoppelt. Bei einer inzwischen hohen Beschäftigungsquote liegt hier der Anteil der Hartz IV-Bezieher leicht unter dem Blumenthaler Durchschnitt.



Der zentrale Baublock zwischen Mühlenstr. und George-Albrecht-Straße (531011)


Da die Struktur des Baublocks 531011 zwischen Mühlenstraße und George-Albrecht-Straße bereits an anderer Stelle detailliert beschrieben ist, soll hier nur eine kurzer Vergleich mit benachbarten Quartieren und vor allem mit der Entwicklung während der letzten Jahre erfolgen, da in dieser Zeit nach den Indexzahlen des Sozialmonitorings eine Verbesserung der Situation eingetreten sein soll. Anders als es diese offiziellen aggregierten Daten erwarten lassen, haben sich die Einzelindikatoren für den sozialen Brennpunkt im Baublock an der George-Albrecht-Straße während der letzten Jahre jedoch kaum geändert.

Dieses Quartier ist weiterhin trotz eines Einwohnerrückgangs von über 10 % während des letzten Jahrzehnts der mit Abstand einwohnerreichste Baublock, wobei der Einwohnerrückgang nicht überbewertet werden darf, da es innerhalb dieses Jahrzehnts auch eine Wachstumsphase zwischen 2006 und 2010 gab, als die Einwohnerzahl um knapp 15% auf 500 angewachsen ist.

Bereits von seiner baulichen Struktur her unterscheidet sich dieser größte Blockbereich sehr deutlich von seiner Umgebung. Das zeigt sich in einer hohen Verdichtung, da hier mehr als doppelt so viele Einwohner auf dem ha bzw. Quadratkilometer leben wie in dem Areal mit der zweitgrößten Einwohnerdichte im Untersuchungszeitraum. Die Ursache hierfür sind nicht nur geringere Garten- und Freiflächen, sondern eine Bebauung mit Mehrfamilienhäusern.


Wie die folgende Tabelle zeigt, unterscheidet sich die Alters- und Haushaltsstruktur dieses sozialen Brennpunktes weiterhin von seiner Umgebung, auch wenn hier eine geringe Tendenz zur Veränderung besteht. So gibt es hier noch erheblich mehr Kinder und Jugendliche, aber relativ wenige Bewohner, die mehr als 65 Jahre sind.

Besonders am Anteil der unter 6-jährigen lässt sich die bewegte Geschichte des Quartiers ablesen; denn in der frühen „Gastarbeiter“-Ära lag ihr Anteil 1970 bei nur bei 2,6 %, um dann im nächsten Jahrzehnt bis 1980 auf 14,7 % (1980) zu steigen, bevor er bis 1998 auf 4,9 % fiel. Ein deutlicher Anstieg auf einen Anteil von 10 % und mehr setzte dann ab 2004 ein.

Auch die geringe Zahl der Einpersonenhaushalte weist ein Gebiet aus, für das traditionelle Haushalts- und Familienstrukturen typisch sind, also Ehen mit mehreren Kindern. Untypisch für sozialräumliche Stadtstrukturen ist hingegen, dass man Einwohner mit diesem familialen Status in einem besonders hoch verdichteten Quartier findet, in dem die gewünschten Spielmöglichkeiten von Kindern im Grünen fehlen.


Familaler Status und Alterstruktur 2012 in den Baublöcken des Untersuchungsgebietes

Baublock
Straßen
Unter 18 J.
Über 65 J.
Einpersonenhaushalte
in %
531001
Landrat-Christians-Str./ BWK-Gelände
28,2
12,8
32,3
531004
Lüssumer Str./ Mühlenstraße
23,2
13,0
52,9
531005

Eichsfelder Str./ Fresenbergstr.

24,2

25,8

48,3

531006
Eichsfelder Str./ Lüder-Clüwer-Str.
19,0
11,6
43,6
531007
Lüssumer/ Kaffeestr.
26,0
9,8
51,9
531008
Leverkenbarg/ Landrat-Christians-Str
20,9
9,0
73,2
531009
Leverkenbarg/ Kaffeestr.
13,8
9,6
66,7
531010
Lüder-Clüwer-Str./ Landrat-Christians-Str.
16,3
18,5
55,1
531011
George-Albrecht-Str./ Mühlenstr.
33,7
11,1
38,0
531012
Kapitän-Dallmann-Str./ Landrat-Christians-Str.
18,8
23,0
62,6

531013

George-Albrecht-Str./ Flethestr.
16,8
28,0
24,0

Wenn es hier zu bestenfalls mikroskopisch kleinen Veränderungen gekommen ist, muss das nicht einmal auf eine Anpassung an die heutigen deutschen Beziehungsmuster oder einen Fortzug in kinderfreudlichere Wohngebiete zurückzuführen sein, sondern kann auch eine simple Folge der zurückliegenden Schicksals sein. So sind die damals geflohenen Erwachsenen älter geworden, was die Zahl der Geburten zwangsläufig reduziert. Dieser Trend kann sich allerdings für das Quartier wieder ändern, wenn die Jugendlichen erwachsen werden und die Verhaltensmuster ihrer Eltern übernehmen.

Weisen diese Daten vor allem auf spezielle Familienstrukturen hin, wie man sie in traditionellen Gesellschaften und Ethnien findet, die sich von den Trends westlicher Mehrheitsgesellschaften abgegrenzt haben, beschreiben die Merkmale zur Beschäftigung und über Sozialleistungen die Einkommenssituation. Dabei verdient in diesem Fall der Anteil der Beschäftigten eine besondere Beachtung, da Transferzahlungen, die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erfolgen, in der amtlichen Statistik nicht erfasst sind.

Auch bei diesen Indikatoren, die für die Identifikation sozial benachteiligter Gebiete zentral sind, lässt sich in dem Zeitraum, für den entsprechende Daten vorliegen, kein deutlicher Trend erkennen. Zwar ist der Anteil der Hartz IV-Bezieher zwischen 2005 und 2011 deutlich von 59,3 % auf 39,1 % im Jahre 2011 gefallen, um dann allerdings in letzten Jahr wieder auf 43,7 % zu steigen.

Dieser Wert ist allein genommen dennoch weiterhin sehr hoch. Das gilt noch mehr, wenn man ihn gemeinsam mit dem extrem geringen Anteil der Beschäftigten und der hohen Arbeitslosigkeit betrachtet, die man möglicherweise in Verbindung mit Änderungen bei den Hartz-IV-Beziehern sehen muss. So lag der Anteil der Hartz-IV-Bezieher beispielsweise im Ortsteil Lüssum-Bockhorn, also einem seit vielen Jahren geförderten WiN-Gebiet, „nur“ bei 19,3%.

  
Die Entwicklung des Baublocks 531011 zwischen 2002 und 2012

Merkmal
2002
2005/6
2009/10
2012

Einwohner

499
439
500
442
Anteil unter 6 Jahre
7,2
10,9
10,2
10,0
Anteil unter 18 Jahre
30,9
33,0
35,2
33,7
Anteil 25 – 65 Jahre
44,9
40,8
42,0
42,3
Anteil über 65 Jahre
12,8
12,3
12,0
11,1
Anteil der Einpersonenhaushalte
-
35,6
40,0
38,0
Anteil der Haushalte mit Kindern unter 18 Jahren
-
41,5
42,1
41,5
Anteil der Beschäftigten
-
-
20,9
20,5
Anteil der Arbeitslosen
-
-
51,0
49,0
Anteil der Hartz-IV-Bezieher
-
59,3
40,0
43,7
Anteil der Ausländer
60,9
61,5
58,0
59,0
Anteil der Einwohner mit Migrationshintergrund
-
70,9
68,8
70,8
Anteil der Einwohner unter 18 mit Migrationshintergrund

86,2
84,8
88,6

-: Daten liegen nicht vor.

Nur geringfügig waren auch die Veränderungen bei der regionalen Herkunft der Bewohner, und das bereits seit mindestens 1970, also dem Jahr, für das die ersten Blockdaten zu dieser Thematik vorliegen. Bereits in BWK-Zeiten lebten in diesem Baublock besonders viele Ausländer. So stellten sie 1970 einen Anteil von 56,3 %, der bis 1980 sogar weiter auf 77,0 % anstieg. Danach ist er unter Schwankungen auf den heutigen Wert gefallen, der allerdings weiterhin deutlich über den 11,2 % in Lüssum-Bockhorn liegt. Gleichzeitig ist der Anteil der Einwohner mit Migrationshintergrund vor allem unter den unter 18-jährigen in den letzten Jahren eher gestiegen. 


Zwischen George-Albrecht-Straße und Flethestraße (531013)


Sehr gravierende Veränderungen hat es auf der westlichen Seite 
der George-Albrecht-Straße gegeben, denn in diesem Areal ist die Einwohnerzahl im letzten Jahrzehnt um fast 40 % zurückgegangen. Das ist ein Wert, der in keinem anderen Baublock des Untersuchungsgebietes in dieser Höhe vorliegt. Anscheinend ist gleichzeitig ein großer Teil der Bevölkerung ausgetauscht worden, denn der Anteil der Einwohner mit Migrationshintergrund hat sich in diesem Zeitraum von unter 30% auf fast die Hälfte erhöht. Gleichzeit hat dieses Gebiet jedoch mit 28% einen sehr hohen Anteil an Einwohnern, die über 65 Jahre alt sind. 

Aber das alles ist noch nicht das ganz besondere Kennzeichen der Häuser und begrünten Grundstücke, die weitgehend zur Flethestraße hin ausgerichtet sind: die typischen Indikatoren für sozial benachteiligte Gebiete erreichen hier Werte, die sogar unter dem Bremer Durchschnitt liegen und bei der Arbeitslosenquote schon seit 2010 einstellig sind und aktuell mit 6 % fast süddeutsche Verhältnisse anzeigen.


Der nördliche Bereich


Nördlich der Fresenbergstraße schließen sich die beiden letzten hier betrachteten Quartiere an, die im Osten an der Lüssumer Straße praktisch auf der Höhe der Burg Blomendahl beginnen, die auf der anderen Seite dieser Durchgangsstraße Richtung Schwanewede liegt.


                Markt und Moschee an der Lüssumer Straße auf der Höhe der Burg.



Zwischen Lüssumer und Mühlenstraße (531004)


Hier an der Ostgrenze des Gebietes, also relativ weit entfernt von der BWK und der George-Albrecht-Straße, ist es im letzten Jahrzehnt zu einem deutlichen Einwohneranstieg um ein Viertel gekommen, womit beinahe eine Verdoppelung des Anteils der Bevölkerung mit Migrationshintergrund verbunden war.

Mit dieser stärkeren Prägung durch Migranten waren deutliche Rückgänge bei der Arbeitslosenquote und dem Anteil der Empfänger von Hartz IV verbunden, sodass dieses Quartier aktuell zu den beiden Baublöcken im Untersuchungsgebiet zählt, in denen beide Indikatoren unter dem Bremer Durchschnitt liegen.



Zwischen Fresenbergstr. und Küferstr. (531094) 


Derart positive Werte für die Merkmalen, an denen die soziale Benachteiligung eines Quartier festgemacht wird, gelten nicht für das Areal, das sich unmittelbar nördlich an den sozialen Brennpunkt George-Albrecht-Straße auf der anderen Seite der Fresenbergstraße anschließt. Hier kam es zwar auch zu einer Zuwanderung von Einwohnern mit Migrationshintergrund, die hier inzwischen die Hälfte der Bevölkerung stellen. Insgesamt hat so gegenwärtig ein Drittel der Einwohner türkische Wurzeln. Nur waren damit trotz einer recht hohen Beschäftigungsquote keine positiven Daten für die Arbeitslosigkeit und den Bezug von Transferleistungen verbunden. In beiden Fällen liegen die ausgewählten Indikatoren sehr deutlich über dem Blumenthaler Durchschnitt und haben sich trotz einer positiver Entwicklung in Bremen und im Bundesgebiet insgesamt hier in den letzten Jahren noch deutlich verschlechtert.


Sozial benachteiligte Blumenthaler Quartiere außerhalb des flankierenden WiN-Gebietes


Auch wenn die Bremer Sozialbehörde einen abweichenden methodischen Weg gewählt hat, lassen sich durchaus Argumente für eine Ausweisung des gesamten Ortsteils Blumenthal als WiN-Gebiet finden, da außerhalb des jetzt ausgewiesenen flankierendes WiN-Gebietes größere Konzentrationen von benachteiligten Bevölkerungsgruppen leben.

Zu nennen ist hier vor allem der Bereich um das Hochhaus an der Bürgermeister-Kürten-Straße, wo in drei Baublöcken ca. 1.100 Einwohner wohnen. Während dieses Areal dem WiN-Gebiet Lüssum-
Bockhorn zugeordnet wurde, gilt das nicht für einen angrenzenden Baublock mit 300 Einwohnern zwischen Hakenwehr- und Wierenstraße, auf den das Sozialmonitoring 2013 erstmals hinweist. Dort ist 2005 der Anteil der Hartz IV-Bezieher um 10 Prozentpunkte gestiegen, sodass hier inzwischen deutlich über 40% der Haushalte von Transferleistungen nach dem SGB II leben.

Außerhalb dieses Bereichs im Norden Blumenthals an der Grenze nach Lüssum-Bockhorn, der von der Einwohnerzahl her durchaus dem flankierenden WiN-Gebiet entspricht, findet man noch drei kleinere Gebiete, die über den gesamten Ortsteil verstreut sind, wobei es sich allerdings häufig um Mehrfamilien- und Hochhauseinsprengsel in einer Randlage handelt. Das gilt sowohl für das Quartier Scheringerstr./ Am Forst ganz im Osten mit nicht ganz 400 Einwohnern als auch das Quartier Gösper Str./ Spierenstr. im Westen, wo ergänzt um die in den Baublöcke in Richtung Besanstraße weitere ca. 200 Einwohner leben.

Im Südwesten Blumenthals nahe eines Gewerbegebietes gehört auch das Quartier zwischen Bürgermeister-Dehnkamp-Straße/ Rönnebecker Straße zu den sozial benachteiligten Gebieten, vor allem wenn man es gemeinsam mit drei kleineren Baublöcken betrachtet, die sich auf der anderen Seite der Rönnebecker bzw. Weserstrandstraße zwischen Gang und Kleiner Straße mit hohen Anteilen von Hartz-IV-Empfängern zwischen 25 und 30 % anschließen, sodass in diesem Bereich insgesamt fast 500 Einwohner leben.

Insgesamt kommt man so rasch zu fünf sozial benachteiligten Teilräumen in Blumenthal, in denen ca. 4.000 Einwohner leben, sodass das jetzt ausgewiesene flankierende WiN-Gebiet mit seinen 1.500 Bewohnern nicht einmal die Hälfte umfasst, was auch dann noch gilt, wenn man die gut 1.000 Einwohner im Hochhausbereich an der Bürgermeister-Kürten-Straße, weil sie formal um WiN-Gebiet Lüssum-Bockhorn gezählt werden, nicht berücksichtigt.


Damit lässt sich das jetzige flankierende WiN-Gebiet kaum als eine gelungene Abgrenzung für die sozialen Problemgebiete Blumenthals bezeichnen. Diese Kritik gilt um so mehr, wenn man die räumliche Größe und die klassischen Instrumente des WiN-Konzepts betrachtet, für die sich im Laufe der Entwicklung ein deutlicher Trend in Richtung von Ortsteilen, also von Gebieten mit wenigstens 6.000 Einwohnern, oder sogar von mehreren Ortsteilen wie in der Neuen Vahr und in Huchting als zweckmäßig gezeigt hat. Dieses Konzept erfordert, wenn ein Quartiersmanager und ein Quartierstreffpunkt effektiv arbeiten und sich genügend Bewohner an den Selbstverwaltungsorganen wie der Vollversammlung aktiv beteiligen sollen, offenbar diese größere Basis, wenn es sich etablieren und nicht nur eine Übergangserscheinung bleiben soll.

Blumenthaler Problemgebiete außerhalb des ausgewählten Areals mit mehr als 100 Einwohnern


Baublock
Straßen
Einwohner
Hartz-IV-Empfänger in %
531020
Bürgermeister-Dehnkamp-Str./ Rönnebecker Str.
261
29,5
531039
Gösper Str. / Spierenstr.
121
33,3
531055
749
41,5
531088
Am Forst/ Scheringstr.
366
36,0
531094
Fresenbergstr./ Küferstr.
124
34,0
531124
Bürgermeister-Kürten-Str./ Wierenstr.
113
32,8
531125
Bürgermeister-Kürten-Str./ Lüssumer Str.
242
38,8
531129
Hakenwehrstr./ Lüssumer Str.
302
43,7


Segregationsprozesse an den Grenzen des sozialen Brennpunktes George-Albrecht-Str.


Üblicherweise lösen soziale Brennpunkte Reaktionen in ihrer Nachbarschaft aus, da diese Nähe häufig unerwünscht ist, was zu Abwanderungstendenzen und fallenden Immobilienpreisen und Mieten führt, sodass andere soziale Gruppen mit einem geringeren Einkommensniveau nachrücken. Dieser Prozess ist daher auch bei einer ghettoähnlichen Massierung von relativ schlecht integrierten und erheblich diskriminierten ethnischen Minderheiten zu erwarten, wie sie in der George-Albrecht-Straße besteht, die sich zudem noch aufgrund ihrer ungewöhnlich hohen Einwohnerdichte wie ein Fremdkörper von den Ein- und Zweifamilienhäusern mit Gärten in der Nachbarschaft abhebt.

Dieser erwartbare Effekt ist vor allem westlich der George-Albrecht-Straße im Baublock an der Flethstraße (531013), der sich unmittelbar auf der 
gegenüberliegenden Straßenseite an den sozialen Brennpunkt anschließt, im letzten Jahrzehnt eingetreten. Hier kann man bei einem Rückgang der Einwohnerzahl seit 2002 um fast 40 % ohne Übertreibung von einer Flucht eines großen Teils der ehemaligen Bewohner sprechen. Dabei handelt es sich bei diesem Quartier weder damals noch jetzt um ein sozial benachteiligtes Gebiet, da der Anteil der Beschäftigten hier die höchsten Wert in dem gesamten Untersuchungsgebiet erreicht und die Anteile der Arbeitslosen und Hartz-IV-Empfänger die niedrigsten Werte in den elf betrachten Baublöcken sind. Und diese Werte haben sich sogar seit 2005 deutlich verbessert. 

Mit dem Bevölkerungsrückgang war hingegen ein Anwachsen des Ausländeranteils verbunden, der zwischen 2005 und 2012 von 28,5% auf 49,6 % gestiegen ist. In diesem Quartier ist es also zu einer deutlichen Veränderung gekommen, indem Deutsche fortgezogen sind, deren Wohnungen von Ausländern übernommen wurden, die zumindest gut in den Arbeitsmarkt integriert sind.


   In Emmalene-Bulling-Straße im November 2012 umbenannter Teil der George-Albrecht-Straße


Im Süden, also im Viertel bis zur Weserstandstraße kam es zu keinen ähnlich dramatischen Entwicklungen. Das muss nicht überraschen, da sich die Bewohner des ehemaligen südlichen Teils der George-Albecht-Straße durch die Umbenennung ihres Straßenabschnitts in Emmalene-Bulling-Straße hier gezielt und offensichtlich auch erfolgreich von dem Brennpunkt abgegrenzt haben. Auch dürften in diesem flächenmäßig großen Baublock das Blumenthal Center und die Grünanlage der Bahrsplate die Wohnqualität in erheblichem Maße positiv prägen.

                      Blick vom Blumenthal Center auf das Quartier


Das sieht östlich der Mühlenstraße im Bereich zwischen der Lüder-Clüver-Straße und der Fresenbergstraße ganz anders aus, auch wenn sich die Quartiere südlich und nördlich der Eichsfelder Straße deutlich unterscheiden. Generell ist hier der Anteil der Einwohner mit Migrationshintergrund deutlich gestiegen. Dabei ging die Entwicklung allerdings von abweichenden Ausgangspositionen aus, da nördlich der Eichsfelder Straße 2005 der Anteil erst 17,5 % betrug und in den folgenden Jahren ein rascher Anstieg auf jetzt 33,9 % erfolgte. 

Südlich der Eichsfelder Straße ging die Entwicklung hingegen bereits 2005 von 40,7 % aus und erreichte 2012 54,5 %. Diese Entwicklung gewinnt besondere Brisanz, wenn man sie vor den Werten für Bremen insgesamt sieht. In der Stadt stieg der Anteil nur von 26 % auf 29,5 %, sodass hier eine ausgeprägte Segregation erfolgte. Das gilt auch für die Empfänger von Transferleistungen; denn deren Anteil liegt hier etwa beim Doppelten des Bremer Durchschnitts von 12,8 %.

Besonders ausgeprägt war die Veränderung im Quartier, das sich jenseits der Fresenbergstraße nördlich an den Bereich der George-Albrecht-Straße anschließt und bis zur Küferstraße reicht. In diesem kleinen Gartenstadtquartier, wie zumindest die ebenfalls angrenzende Richard-Jung-Straße schon bezeichnet wurde, ist es zu einem starken Anstieg der Zahl der Einwohner mit Migrationshintergrund und der Hartz-IV-Bezieher gekommen, die hier inzwischen die Hälfte bzw. mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung ausmachen. Der Zuzug von Migranten war hier mit einem deutlicher Anstieg der Bezieher von Einkommen verbunden, die nicht aus einer eigenen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung resultieren, die hier deutlich unter den Bremer Durchschnitt gefallen ist. 2005 lag sie hingegen noch über dem Wert für Bremen und ist seitdem in diesem Quartier kräftig um acht Prozentpunkte gesunken, während sie in Bremen und auch in Blumenthal leicht gestiegen ist.


Ethnische und soziale Entwicklungen im Umfeld der George-Albrecht-Straße

Quartier
Einwohner 2012
Einwohnerentwick-
lung 2002-2012 in %
Migrantenanteil
2005 in %
Migrantenanteil
2012 in %
Hartz-IV-Anteil 2012 in %
Westen: Flethestr
125
-38,7
28,5
49,6
10,0
Süden: Kapitän-Dallmann-Str.
191
-3,0
31,5
33,0
15,7
Osten: südlicher Bereich
121
-5,5
40,7
54,5
32,7
Osten: nördlicher Bereich
62
+19,2
17,6
33,9
20,7
Norden: Küferstr.
124
+14,8
27,8
50,0
34,0

Das benachteiligte Areal an der Lüder-Clüver-Straße


Nach dem Sozialmonitoring gilt seit 2008 ein Quartier an der Lüder-Clüver-Straße als Beobachtungsgebiet, wobei diese Begrenzung nicht ganz überzeugen kann, wenn man alle fünf Baublöcke in diesem Bereich betrachtet.

Entsprechend der Lage zum ehemaligen BWK-Betriebsgelände kann man dabei einen südlichen und einen nördlichen Bereich unterscheiden, da sich die Lagequalität des südliche Teils durch die Schließung der BWK im Jahre 2009 deutlich verändert hat. Während hier zunächst noch Arbeitsplätze der Wollkämmerei fußläufig erreichbar waren, liegen seitdem nur noch eine Industriebrache mit ungewisser Zukunft sowie der industrielle Nachlass der BWK, also die Chemiefaserbearbeitung und die Müllbeseitigung, in unmittelbarer Nachbarschaft.



Quartiere an der Lüder-Clüver-Straße


Quartier

Einwohner
2012
Entwicklung
2002-12 in %
Anteil Hartz
IV 2005
         Anteil Hartz
IV 2008
Anteil Hartz
IV 2012
Arbeitslosen-quote 2009
Arbeits-losen-
quote 2012
Migranten-anteil
2005
Migranten-anteil
2008
Migranten-anteil
2012
Nördlich der Lüder-Clüver-Str.










Eichsfelder Str.
121
-5,5
33,8
26,7
32,7
23,9
28,3
40,7
45,3
54,5
Fresenbergstr.
123
+30,9
28,1
26,7
35,2
41,0
35,1
47,5
50,0
61,0
Südlich der Lüder-Clüver-Str.










Westlich der Kaffeestr.
92
3,3
10,8
15,0
32,7
18,5
28,2
33,3
27,0
19,6
Kaffeestr./ Leverkenbarg
94
-7,8
8,7
10,4
50,0
33,3
39,5
14,6
15,2
19,1
Östlich der Leverkenbarg
67
4,7
36,6
25,0
24,4
27,6
32,3
18,9
34,7
52,2


Im Bereich der Lüder-Clüver-Str. lassen sich zwei Gebietstypen aufgrund des Anteils der Einwohner mit Migrationshintergrund unterscheiden; denn in drei Quartieren ist der Anteil dieser Gruppe seit 2005 sehr deutlich auf über 50% gestiegen, während er in zwei anderen Quartieren mit knapp 20 % deutlich niedriger liegt und in einem Gebiet sogar stark gesunken ist. Im Hinblick auf die Integration in den deutschen Arbeitsmarkt, für die die Arbeitslosenquote und der Anteil der Hartz-IV-Bezieher stehen, hat sich die Situation auch entgegen dem Trend in Bremen fast durchgehend verschlechtert.

Sehr deutlich ist dabei die Veränderung im südlichen Teil dieses Bereichs, also in unmittelbarer Nähe zum BWK-Gelände. Hier sind der Anteil der Arbeitslosen und der Hartz-IV-Empfänger zwischen 2005 und 2012 und vor allem seit dem Jahr vor der BWK-Schließung, also 2008, teilweise dramatisch gestiegen, obwohl diese Indikatoren in Bremen rückläufig waren. Davon weicht nur bei der Entwicklung der Hartz-IV-Bezieher der östliche Baublock in der Nähe des Bahnhofs und des Busbahnhofs geringfügig ab. Man kann daher in diesen Quartieren einen deutlichen BWK-Effekt in der sozialen Bewohnerstruktur erkennen.



Die Daten einer Befragung durch die Sozialbehörde Anfang 2013


Über das Gebiet an der George-Albrecht-Str. liegen nur sehr wenige harte Daten vor, die über diesen Fundus an Informationen hinausgehen, der für alle Baublöcke Bremens zur Verfügung steht. Das hat auch die senatorische Arbeitsgruppe auf ihrer ersten Sitzung am 21.1. 2013 festgestellt, indem sie erklärte, dass die Datenlage „unbefriedigend ist und nachgebessert werden muss“.

Daher erhielt das Bremer Büro für Stadtplanung proloco, das bereits für zahlreiche WiN-Gebiete die Integrierten Handlungskonzepte (IHK) erstellt hat, den Auftrag für eine Befragung, deren Ergebnisse am 10.6.2013 im Blumenthaler Beirat öffentlich durch einem Vertreter der Sozialsenatorin vorgestellt wurden. Kern des Berichts war eine Analyse der auch hier betrachteten Blockdaten, wobei vor allem auf die hohe Abhängigkeit der Bewohner in der George-Albrecht-Straße von Transfereinkommen (75 %), hohe Anteile von Kindern und Menschen über 65 sowie und von Menschen mit Migrationshintergrund (58%) hier und im gesamten Untersuchungsgebiet (50 %) hingewiesen wurde.


Als Hauptprobleme des Areals wurden in der Beiratspräsentation unter anderem „Armut, fehlende Arbeit, unklarer Aufenthaltsstatus, ethnische Konflikte, fehlende soziale Mischung, Sprachbarrieren, schlechte Bildungschancen und fehlende Angebote für auffällige Jugendliche“ genannt. Auch wurde speziell auf fehlende wohnungsnahe Spielflächen hingewiesen.

Daneben ist in vielen Fällen die Qualität der Wohnungen durch eklatante Mängel wie Schimmel, Dreck, fehlende Briefkästen und unklare Vermietungsverhältnisse“ beeinträchtigt. (Drieling, Bestandsanalyse)


Über die Methode der eigentlichen Befragung wurde praktisch nichts bekannt, so dass man den Eindruck gewinnen kann, dass hier möglicherweise aus Mangel an Geld Chancen vertan wurden, um vor Beginn der konzeptionellen Arbeit zunächst einmal einen Überblick über die konkrete Situation der Bewohner zu erhalten, wie sie sich nicht den Zahlen der amtlichen Statistik entnehmen lässt. So wurden offenbar keine Behördendaten etwa über den Aufenthaltsstatus oder den Geburtsort ausgewertet, sodass man weiterhin nicht einmal einen groben Überblick darüber besitzt, welche sozialen oder ethnischen Gruppen tatsächlich in welcher Größenordnung an der George-Albrecht-Straße leben.

Auch die großen Vorteile, die eine eigene Befragung bietet, wurden nicht genutzt, da man nichts über die subjektive Sicht der Bewohner ermittelt hat. So weiß man weiterhin nicht, wo die Menschen, die an der George-Albrecht-Straße wohnen, selbst ihre wesentlichen Probleme sehen, was sie vom Staat oder einem speziellen Förderprogramm erwarten und in welchem Umfang sie bereit sind, selbst stärker aktiv zu werden. Dabei hätte man etwa nach ihrem Interesse an Bewohnerversammlungen fragen können, in denen über WiN-Projekte entschieden wird, ihrer möglichen Teilnahme an Verschönerungsaktivitäten wie Entmüllungsaktionen, ihrer Mithilfe bei der Anlage von Spielplätzen oder einem Wunsch nach Mietergärten, wie das für klassische WiN-Gebiete typisch ist.

Da diese Daten, die erst eine zielgerichtete Entwicklung von Maßnahmen erlauben, fehlen, geht man an der George-Albrecht-Straße bzw. besser in dem erheblich größer gefassten flankierenden WiN-Gebiet nach einer anderen Methode vor, die hier einmal als Blumenthaler Ideen-Modell bezeichnet werden soll



Das Blumenthaler Ideen-Modell



Die Weichen zu diesem Ansatz wurden bereits im Dezember letzten Jahres gestellt, als die Regierungsfraktionen den Senat nicht damit beauftragen, ein Konzept zur Lösung der Probleme des sozialen Brennpunktes an der George-Albrecht-Straße zu erstellen, sondern mit ihrem Antrag gleich ein Vielzahl von Vorgaben beschlossen, die sich sowohl auf die Einsetzung eines senatorischen Arbeitskreises als auch ganz konkrete Einzelmaßnahmen bezogen, ohne dabei ein stringentes Konzept aus Zielen und Maßnahmen vorzugeben. Es wurde also nicht nach einem akademischen Lehrbuch vorgegangen, wo man vermutlich den Ratschlag gefunden hätte, erst eine Problemanalyse zu machen, um dann anschließend über erforderliche Maßnahmen und das geeignete Personal zu entscheiden.

Vielmehr gaben die Bürgerschaftsabgeordneten den senatorischen Behörden gleich sehr konkrete Anweisungen mit auf den Weg, die die Erstellung eines konsistenten Handlungskonzepts nicht unbedingt erleichtern dürften, da nicht auszuschließen ist, dass die Politiker möglicherweise auch suboptimale Setzungen vorgenommen haben. Diese Gefahr lässt sich zumindest nicht von der Hand weisen, da sie beispielsweise in ihrem Dringlichkeitsantrag, der durch Straftaten und Polizeieinsätze im Umfeld der George-Albrecht-Straße ausgelöst wurde, zwar das Innen-, aber nicht das Bildungsressort für eine Beteiligung am senatorischen Arbeitskreis vorgesehen hatten.

Diese Vorgaben, die von der Bürgerschaft als Paket gebilligt wurden, sehen so 

- den weiteren Ausbau der U3-Kindertagesbetreuung in unmittelbarer Nähe der George-Albrecht-Straße,

- die Einsetzung von Sprach- und Integrationsmittlerinnen und -mittler als weitere Unterstützung der Bewohnerinnen und Bewohner,

- eine regelmäßige Sprechstunde des Kontaktpolizisten im Quartierstreffpunkt,

- spezifische arbeitsmarkt- bzw. beschäftigungspolitische Maßnahmen und Bildungsangebote, die den Bewohnerinnen und Bewohnern eine bessere Erwerbsperspektive eröffnen,

- städtebauliche Maßnahmen, die die Wohn-, Sicherheits- und Lebensqualität in dem Quartier verbessern,

- eine Stabilisierung der ausländerrechtlichen Aufenthaltssituation von Bewohnerinnen und Bewohnern des Quartiers sowie 

- die Realisierung weiterer Maßnahmen im Rahmen des Projekts „Stopp der Jugendgewalt“ vor.

Dadurch war mit dem Antrag ein sehr umfangreicher Arbeitsauftrag verbunden, den die senatorische Arbeitsgruppe relativ schnell aufteilte, indem sie einen Teil nach außen vergab, einen anderen deutlich kleiner schrieb und sich auf das Quartiersmanagement und den Quartierstreffpunkt konzentrierte.

Diese Vorgehensweise hatte nicht zuletzt den Vorteil, dass keine bestimmte Reihenfolge der Teilschritte logisch notwendig ist. So hatten die Politiker der Mehrheitsfraktionen Ende letzten Jahres bereits Räumlichkeiten für ein Quartiersmanagement in der Nähe der George-Albrecht-Straße vor Augen und wollten die Stelle für eine Quartiersmanagerin bzw. einen Quartiersmanager ausschreiben, der/ die dann später an der Erarbeitung eines Konzepts mitwirken sollte. Das wurde damals auch von der Bürgerschaft in dieser Weise beschlossen.

Diese Beteiligung der senatorischen Arbeitsgruppe hat sich inzwischen offensichtlich geändert: ein Handlungskonzept soll extern von proloco erstellt werden und die Besetzung der Stelle für das Quartiersmanagement wird vorgezogen, sodass sich der Stelleninhaber an der Suche nach Räumlichkeiten und auch der Erstellung des Handlungskonzepts beteiligen kann. Ergänzend hatten die Sozialexperten sogar bereits ein Bewohnerfest im September vorgesehen, an dessen Planung das noch nicht vorhandene Quartiersmanagement jedoch nicht beteiligt werden konnte. Wahrscheinlich dürfte das der Grund sein, warum aus dieser Idee nichts geworden ist.


Die Quartiersmanagerin


Offensichtlich wollten alle Beteiligten schnell eine Person haben, die die vorhandenen diversen Ideen zu integrieren versucht und in Blumenthal präsent ist, sodass sich jedermann davon überzeugen kann, dass hier etwas Neues passiert und die zuständigen senatorischen Stellen keineswegs schlafen.

So wurde bereits im Antrag der Fraktionen, ohne dass die Aufgaben und damit die notwendigen Qualifikationen feststanden, ein Quartiersmanagement gefordert. Dem hat dann auch der senatorische Arbeitskreis entsprochen und sogar an dieser Institution die Eigenschaft eines WiN-Gebetes festgemacht. Das wurde zumindest Ende Juli 2013 vom Pressesprecher der 
Sozialsenatorin entsprechend dargestellt, für den ein Quartiersmanager „ein wesentliches Element von WiN-Gebieten und somit ein Strukturmerkmal“ ist.

Daher hat das Sozialressort Mitte Jahres eine Ausschreibung fertiggestellt, wobei der Ausschreibungstext zwangsläufig sehr allgemein gehalten werden musste, da die Bremer Sozialexperten im Vorfeld ganz unterschiedliche Schwerpunktsetzungen genannt hatten. So ging es um die Beseitigung von Wohnungsmängeln, die Klärung der Situation von Geduldeten, die Probleme von Konflikten zwischen verschiedenen Ethnien und mit den deutschen Nachbarn, eine Kriminalitätsprävention, eine Bildungsberatung und die Organisation von Alphabetisierungskursen, um nur einige Beispiele zu nennen. 

Aber derart Konkretes stand nicht im Anforderungsprofil, wo von der Aktivierung von Bewohnern/-innen, der Unterstützung einer positiven Entwicklungsdynamik im Gebiet, der Förderung der Zusammenarbeit bei der Schwerpunktsetzung und der Umsetzung von Einzelvorhaben gesprochen wurde.

Für diese komplexen Aufgaben wollte man dann praktisch über Nacht eine geeignete Stellenbesetzung finden, die schon am 1. August zur Verfügung stand. Immerhin konnte schließlich zum 1. Oktober 2013 eine Quartiersmanagerin eingestellt werden, die seit dieser Zeit dem neuen flankierenden WiN-Gebiet in Blumenthal ein Gesicht gibt und es in den Medien auch mit ersten Ideen über die künftige Arbeit inhaltlich vertritt.

Dabei denkt sie an einen Leseclub, ein Erzählcafé, ein Kulturdinner sowie Sprachkurse und Patenschaften. (SL) Auch möchte sie mit Mitteln aus einem Topf für Integrationspolitik alteingesessene Blumenthaler mit Flüchtlingen zusammenbringen und den Migranten so das „Ankommen“ erleichtern. Generell möchte die Quartiersmanagerin „Brücken schlagen“, wozu sie auch gemeinsame Ausflüge oder Besuche anderer Bewohnertreffs plant. (Drieling, Quartiersmanagerin)


Der Quartierstreffpunkt



Allerdings steht dieser konkreten Tätigkeit ein großes Hindernis entgegen. Obwohl bereits die Mitglieder der Regierungsfraktionen in ihrem Dringlichkeitsantrag die Einrichtung eines Quartierstreffpunktes gefordert hatten, der als Anlauf- und Beratungsstelle und Raum für soziale Projekte und Bildungsangebote dienen sowie regelmäßige Sprechstunden des Blumenthaler Kontaktpolizisten anbieten sollte, haben sich die Entscheidungsträger auch praktisch ein Jahr später immer noch nicht für konkrete Räumlichkeiten entscheiden können.

Dabei hat man auch hier offenbar feste Vorstellungen, ohne diese allerdings sachlich in der Öffentlichkeit zu begründen. So hat die senatorische Arbeitsgruppe gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit einen Standort „im unmittelbaren Umfeld, aber nicht direkt an der George-Albrecht-Straße“ festgesetzt, wobei sie konkret auf die Mühlenstraße verwiesen hat, wo es „mehrere leerstehende Ladengeschäfte“ gibt, „die grundsätzlich zur Nutzung in frage kämen.“

Aktuell hat die Quartiersmanagerin ihre Vorstellungen erläutert. Danach stellt sie sich einen zentralen, gut sichtbaren Ort der Begegnung vor, der „für bis zu 20 Personen“ genug Platz bietet, „um zu reden und zusammen zu essen. (Schlaht) Im Mai oder spätestens Juni nächsten Jahres soll dieser Treffpunkt dann eröffnet werden. 

Wegen der vorhandenen Leerstände und der Planungen, die bereits seit Januar dieses Jahres laufen, ist das sicherlich ein später Termin, wenn man berücksichtigt, dass vom Oktober 2013 aus eine Projektdauer von 24 Monaten vorgesehen ist. Danach blieben für einen funktionsfähigen Quartierstreffpunkt dann nur noch ca. 16 Monate, was das gesamte WiN-Projekt in Blumenthal bereits rein zeitlich zu einem fast aussichtslosen Unternehmen macht.


Das fehlende WiN-Forum


Bei allen diesen vielen schönen Idee haben die Initiatoren des WiN-Gebietes offenbar die Institution vergessen, die für die Vertreter des WiN-Konzepts eigentlich der unverwechselbare Kern dieses Bremer Ansatzes ist: die Stadtteil- oder Quartiersgruppe als zentrales lokales Forum, in der sich jeder an der Quartiersentwicklung beteiligen kann.

Für Joachim Barloschky, den langjährigen Quartiersmanager von Tenever, der an der praktischen Entwicklung des WiN-Konzepts beteiligt war und es in fast ganz Europa durch seine Vorträge in stadtpolitisch interessierten Kreisen bekannt gemacht hat, ist diese Form der Bürgerbeteiligung ein notwendiger Bestandteil eines WiN-Gebietes, wenn er feststellt: „Wo Quartiersentwicklung draufsteht, muss auch Beteiligung drin sein“.

Bei diesen Vollversammlungen eines WiN-Gebietes, die prinzipiell allen Interessierten offen stehen, treffen sich etwa in jedem 2. Monat alle mit dem Gemeinwesen verbundenen gesellschaftlichen Kräfte, wozu neben den Bewohnern auch die lokalen Politiker, die Wohnungseigentümer und die Sozialeinrichtungen zählen, die sich im Gebiet engagiert haben. In diesem Gremium, zu dem sich in Tenever, das mit 10.000 Einwohnern erheblich größer ist als das hier betrachtete Untersuchungsgebiet mit seinen 1.500 Einwohnern, treffen sich dabei knapp 100 Teilnehmer, von denen etwas mehr als die Hälfte Bewohnerinnen und Bewohner sind.


In diesen Versammlungen werden alle Fragen des Quartiers diskutiert und beraten. Aber nicht nur das. Dieses Gremium kann sogar über die Vergabe der WiN-Mittel entscheiden. Dazu können Projekte von den Sozialeinrichtungen, aber auch den Bewohnern entwickelt, vorgestellt und zur Abstimmung gestellt werden. Über die Vergabe von Steuermitteln können so direkt die betroffenen Bürger entscheiden, wobei die endgültige Entscheidung ohne Gegenstimmer getroffen werden muss, sodass die anwesenden Beiratsmitglieder ein Vetorecht besitzen.

Dieser wesentliche Kern des WiN-Konzepts, der durch diese direkte Bürgerbeteiligung zu einer Aktivierung eines Quartiers beitragen will, wurde bisher in Blumenthal nicht einmal im Zusammenhang mit der Vergabe der Mittel in Höhe von jeweils 20.000 € für zwei Jahre angesprochen. Auch bei der Wahl der Räumlichkeiten für ein Quartierszentrum fehlt bisher ein Hinweis auf diese zentrale Funktion. Man scheint diesen Bestandteil des WiN-Konzepts „vergessen“ zu haben.

Da damit dem flankierenden WiN-Gebiet in Blumenthal das zentrale Element des WiN-Konzepts fehlt, scheint es sich bisher um den Versuch zu handeln, Einrichtungen unter der politischen Marke „WiN“ zu verkaufen, denen der im wahrsten Sinne des Wortes entscheidende Bestandteil, die Beteiligung der Bewohner, fehlt. Es wird mit anderen Worten eine Mogelpackung angeboten.




Das Projekt „Spielraum Bahrsplate“: ein grün-weißer Bolzplatz



Vorschläge und Entscheidungen ohne die Einbindung in ein Handlungskonzept erfolgten jedoch nicht nur im Rahmen des Beschlusses der Bürgerschaft zur „Vernetzte Quartiersentwicklung im Umfeld der George-Albrecht-Straße!“ Daneben verfolgt die Bürgerstiftung Blumenthal ein Projekt „Spielraum Bahrsplate“, das sich von der Zielsetzung und dem Standort her zumindest teilweise mit dem flankierenden WiN-Gebiet überschneidet.

Ausgangspunkt war in diesem Fall jedoch ein Angebot des Bundesligisten Werder Bremen, der im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit durch seine Abteilung CSR-Management das Projekt „Werder bewegt“ begründet hat, das Initiativen und Vereine 
aus der Hansestadt und dem Nordwesten unterstützt, die sich für gesellschaftliche Belange einsetzen. Dabei werden die Projekte nicht nur finanziell, sondern auch durch den Einsatz von Werder-Trainern gefördert.

Diese Möglichkeit, die offenbar Blumenthal nach den dramatischen Medienberichten über den sozialen Brennpunkt an der George-Albrecht-Straße vonseiten der Fußballmanager angeboten wurde, hat die Bürgerstiftung genutzt und will dank zusätzlich eingeworbener Mittel aus diversen Quellen ein Projekt „Spielraum Bahrsplate“ realisieren, das einen Bolzplatz mit Kunstrasenbelag umfasst, auf dem Werder Bremen von März bis Oktober ein wöchentliches Training anbieten will (Brandt).

Dieses Trainingsangebot macht einen Unterschied gegenüber anderen Sport- und speziell auch Fußballprojekten aus, die in anderen WiN-Gebieten unter stärker pädagogischen Aspekten gefördert werden. 


Zwar soll der Sport auch auf der Bahrsplate Kinder und Jugendliche vor der „Gefahr einer kriminellen Karriere“ bewahren, indem er dazu dient, den Bewegungsdrang von Kindern und Jugendlichen in gewaltfreie Erfolgserlebnisse zu kanalisieren“.(Bahr) Das dürfte allerdings auf einem exponierten Platz an der Weser, den man nicht gerade als wohnungsnah zu den sozial belasteten Quartieren Blumenthals bezeichnen kann, schwierig sein, wenn hier vermutlich auch vom Ruhm und Reichtum der Bundesligastars geträumt wird. Zumindest unterscheiden sich die Rahmenbedingungen von denen eines Projektes wie „Respect und Fair“, das im WiN-Gebiet Tenever durchgeführt wurde, um Selbstachtung, Durchsetzungsvermögen und Fair play zu lernen.

Allerdings kann hier die Quartiersmanagerin vermutlich noch auf die konzeptionelle Konkretisierung Einfluss nehmen, da sie für die organisatorische Betreuung vorgesehen ist.



Das gesuchte Handlungskonzept


Das bisherige Konglomerat von einzelnen Ideen aus dem WiN-Konzept wie die der Quartiersmanagerin und des Quartierstreffpunkt und aus den eher locker damit verbundenen Ergänzungen, wie sie der Bolzplatz auf der Bahrsplate darstellt, reiht viele Fragmente relativ beziehungslos nebeneinander, weil sie nicht Teil eines umfassenden Handlungskonzepts sind. Es fehlen konkrete Zielsetzungen für die weitere Entwicklung des Quartiers, auf die hin sich einzelne Maßnahmen entwickeln lassen.

Nah dem ersten Bericht sollte ein solches „Konzept für die George-Albrecht-Straße und das Umfeld“ gemeinsam von der senatorischen Arbeitsgruppe und dem Quartiermanagement erarbeitet werden. Diese Idee wurde jedoch rasch aufgegeben und extern ein Auftrag an proloco für diese Aufgabe vergeben, die weiterhin gemeinsam mit der Quartiersmanagerin geleistet werden soll. Damit fehlt also weiterhin eine klare Zielsetzung für das neue WiN-Gebiet, aus der sich Teilaufgaben ableiten und gewichten lassen.

Zwar kennt das WiN-Programm mit dem Ziel einer sozialkohärenten Stadt, in der die Armutssegregation reduziert wird, eine allgemeine Vorgabe, die allerdings auf die jeweiligen lokalen Bedingungen umgesetzt werden muss. Dabei zeigt sich dann, dass 
der Bereich zwischen dem BWK-Gelände und dem Umfeld der George-Albrecht-Straße außer den typischen statistischen Indikatorenwerte für benachteiligte städtische Quartiere mit den klassischen WiN-Gebieten Bremens wenig gemeinsam hat. Das gilt sowohl generell für die Probleme von neuen Großsiedlungen, wie sie Ausgangspunkt dieses Programms waren, als auch für alte Industriebezirke mit Werksschließungen wie in Gröpelingen, wo es keine vergleichbare Massierung von transnationalen ethnischen Minderheiten gibt, die sich intensiv um die Bewahrung ihrer kulturellen Identität bemühen.

Wie die Auswertung der Blockdaten zeigt, erfolgt in Blumenthal bisher eine deutliche räumliche Segregation nach dem Migrationshintergrund, sodass man hier mehr und mehr von Quartieren sprechen kann, die vor allem von Deutschen, Roma, Türken oder eher Einwohnern mit einer anderen Migrationshistorie geprägt sind. Dabei werden von den Bewohnern offenbar im Rahmen ihrer begrenzten Wahlmöglichkeiten, wie sie sich aus ihrem Einkommen und der Miethöhe ergeben, ethnisch homogene Wohngebiete bevorzugt. Dem müsste also ein Quartierspolitik, die die Ziele des WiN-Konzepts ernst nimmt, entgegenwirken.

Ein weiteres Problem stellt der geringe Selbstorganisationsgrad der Roma dar, wo eine Vernetzung bestehender Ansätze vor der Schwierigkeit steht, dass hier zunächst diese Selbsthilfebemühungen erst initiiert werden müssen. Hier hätte so vorrangig eine Aktivierung der Bewohner zu erfolgen, durch die eine Selbstorganisation von eigenen Förderinteressen entsteht, die etwa in der  Hilfe bei Hausaufgaben, der Organisation eines gemeinsamen Auftretens gegenüber Vermietern, die Schäden nicht in angemessenen Fristen beseitigen, oder der Bildung von Gruppen sein können, die gemeinsam Deutsch lernen und ihre neue Heimat erkunden.

Bei der Heterogenität des Gebietes und den weiteren sozial benachteiligten Quartieren muss es aber eine offene Frage bleiben, ob dieser universelle Zugang für eine Lösung wirklich geeignet ist, wenn man auch hier die soziale Segregation in Bremen abbauen will und für die bisher sozial benachteiligten Bewohnern eine bessere Integration in das deutsche Bildungs- und Beschäftigungssystem fördern möchte.

Die Erfahrungen in den Großbausiedlungen wie Neue Vahr, Tenever und Lüssum, die den Anstoß zum WiN-Projekt gegeben haben, sprechen vielmehr für einen breiteren Lösungsansatz, der mit baulichen Maßnahmen beginnt. Während in den Großsiedlungen eine Diskrepanz zwischen den Wohnwünschen potenzieller Mieter und dem Angebot an kaum nachgefragten Hochhauswohnungen innerhalb des Gebiets bestand, geht es in Blumenthal vorrangig um die Auswirkungen, die von zwei Zentren ausgehen und zu einer Abwertung der angrenzenden Wohngebiete führen.

Verantwortlich ist hier einerseits die aktuelle Situation und 
vermutete zukünftige Entwicklung auf dem BWK-Gelände, die sehr deutliche Einflüsse auf die Bewohnerstruktur im Gebiet an der Lüder-Clüver-Straße in den letzten Jahren hatte. Hier dürfte damit die weitere Entwicklung von der zukünftigen Nutzung dieses Areals abhängen, wie sie der Bebauungsplan 1288 vorsieht und wie sie anschließend tatsächlich realisiert wird. Die Zahlen seit 2008 lassen hier eine verstärkte Entwicklung in die Richtung sozial benachteiligter Gebiete erwarten, wenn weiterhin eine Industrie- und Gewerbegebiet mit zahlreichen Brachflächen bestehen bleibt. Eine erfolgreiche Quartiersentwicklung würde daher eine andere Nutzung des alten Industrieareals voraussetzen.

Eine Änderung der Auswirkungen des sozialen Brennpunktes an der George-Albrecht-Straße dürfte andererseits eine Doppelstrategie verlangen, wenn man nicht einen Totalabriss der Häuser plant. Das war zumindest bisher in Bremen häufig ein vorgeschlagener Weg, um andere unlösbar erscheinenden soziale Brennpunkte zu beseitigen, ohne dabei an die fortbestehenden Integrationsschwierigkeiten der vertriebenen Bewohner zu denken. An der George-Albrecht-Straße stellt die hohe bauliche Verdichtung einen wichtigen Teilaspekt des Problems dar, da sich auf diese Weise das Quartier bereits durch sein äußeres Erscheinungsbild von der Umgebung absetzt. Zudem ist mit der hohen Einwohnerdichte ein Mangel an Freiflächen verbunden,
 was sich bei den vielen Kindern und Jugendlichen, die hier leben, in einem Mangel an wohnungsnahen Spielflächen negativ auswirkt.

Ein Teilabriss von Gebäuden und der damit erforderliche Umzug von Bewohnern können jedoch nicht die einzige Lösung sein. Vielmehr müssen hier die zentralen Integrationsprobleme gezielt angegangen werden. Das dürften, auch wenn es dazu keine konkreten Befragungsdaten gibt, der Aufenthaltsstatus, die Wohnungsmängel und vor allem die reibungslose Eingliederung in das deutsche Bildungs- und Beschäftigungssystem sein. Das setzt vor allem Eltern voraus, die das auch für ihre eigenen Kinder wollen und daher die erforderlichen Maßnahmen unterstützen. Dazu sind, wie Projekte ähnlicher Art in anderen deutschen Städte zeigen, viel Einsatz und Geduld erforderlich.


Erst wenn diese „harten“ Voraussetzungen in Angriff genommen werden, dürften die „weichen“ Ansätze der klassischen Gemeinwesen- und Quartiersarbeit erfolgreich sein können, die durch Straßenfeste, gemeinsame Verschönerungsaktivitäten und vieles mehr das Zusammengehörigkeitsgefühl der Bewohner fördern und die Identifikation mit ihrem Quartier stärken.

Man kann daher nur gespannt auf die Veröffentlichung des Integrierten Handlungskonzepts der Sozialbehörde für das neue flankierende WiN-Gebiet in Blumenthal warten, um festzustellen, welche Lösungsvorschläge die Bremer WiN-Experten tatsächlich nach den Diskussionen in der senatorischen Arbeitsgruppe einsetzen wollen.



(Fortsetzung folgt, sobald die ausstehenden Informationen der Sozialbehörde vorliegen!)



Quellen:


Bahr, Albrecht-Joachim, Werder-Projekt „Spielraum Bahrsplate“ nimmt Konturen an. Erster Spatenstich für Bolzplatz, in: Weser-Kurier vom 7.12.2013.

Barloschky, Joachim, Wo Quartiersentwicklung draufsteht muss auch Beteiligung drin sein. Ansätze und Erfahrungen aus Bremen–Tenever. Kurzfassung eines Referates bei der Regionalkonferenz der Lawaetz-Stiftung in Hamburg am 25.6.2003.

Brandt, Patricia, Bolzen auf der Bahrsplate. Werder und Ortsamt wollen Fußball-Jugendprojekt Blumenthal verwirklichen, in: Weser-Kurier vom 26.6.2013.

Denker, Christina, George-Albrecht-Straße: Parteien, Schulen und soziale Einrichtungen warten auf das Quartierszentrum. Forderung nach schneller Abhilfe, in: Weser-Kurier vom 27.3.2013.

Dies., Win-Gebiet Blumenthal: Sozialbehörde bereitet Ausschreibung vor / Arbeitsbeginn in diesem Sommer. Suche nach Quartiersmanager beginnt, in: Weser-Kurier vom 7.6.2013.


Drieling, Regina, Bestandsanalyse im Quartier. Wilfried Wojke aus dem Bremer Sozialressort stellte Ergebnisse zum Umfeld der George-Albrecht-Straße vor, in: BLV vom 12.6.2013.

Dies., Quartiersmanager im Eilverfahren gesucht. Sozialarbeit in der George-Albrecht-Straße: Bewerbungen bis 30. Juli möglich, in: BLV vom 24.7.2013.

Dies., Vorerst kein zusätzliches WiN-Gebiet. Brennpunkt George-Albrecht-Straße erfüllt Kriterien nicht, in: BLV vom 31.7.2013.


Dies., „Erwartungen sind groß“. Quartiersmanagerin Carola Schulz hat ihre Arbeit aufgenommen, in: BLV vom 16.10.2013.

Dies., Quartiersmanagerin erreichbar. Anderthalb Monate nach Amtsantritt: Carola Schulz per Mail und Telefon erreichbar, BLV vom 20.11.2013.

 
Sander, Matthias, Gewalt und Integrationsprobleme. Blumenthaler schlagen Alarm, in: Weser-Kurier vom 2011.2012.

Schlaht, Maike, Quartiersmanagerin für Blumenthal. Carola Schulz baut neuen Treffpunkt auf, in: Weser-Kurier vom 15.10.2013.

Schnase, Simone, Rettung in Sicht. SPD und Grüne fordern ein umfassendes Maßnahmenpaket für die George-Albrecht-Straße in Blumenthal, in: taz vom 11.12.2012.


SL, Quartiersmanagerin nimmt ihre Arbeit auf. Carola Schulz will Teilhabe vermitteln, in: Weser Report vom 20.10.2013.


An dieser Stelle möchte ich mich ganz besonders beim Stat. Landesamt Bremen bedanken, das mir Informationen über die Abgrenzung der Baublöcke und die Zeitreihendaten, die im Internet nicht verfügbar sind, überlassen hat.

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